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Wohnbebauung Fürth

Beschreibung:
Realisierungswettbewerb 2017 - Anerkennung, zusammen mit Johannes Kappler - Architektur und Städtebau. Wohnanlage mit 52 geförderten Wohneinheiten, einer KiTa und zwei Wohngemeinschaften für Jugendliche
Bauherr:
ESW - Evangelisches Siedlungswerk
Standort:
Fürth, Würzburger Straße
Zeitraum:
Anerkennung - 2017
BGF:
8.700 m²
BRI:
29.000 m³
Wohnfläche:
4.350 m²

Gemeinschaft und Individualität – Kollektives Wohnen an der Würzburger Straße

“Erst in der Gemeinschaft hat jedes Individuum die Mittel, seine Anlagen nach allen Seiten hin auszubilden; erst in der Gemeinschaft wird also die persönliche Freiheit möglich.”  Karl Marx

Zeitgemäßes Wohnen ist ein ständig wechselnder Zustand zwischen Privatheit und Gemeinschaft. Ein Mikrokosmos in dem die Einzelteile und das Ganze beständig miteinander verknüpft sind. Der Charme des Ganzen liegt in der Graduierung und Vielfalt seiner Bestandteile. Der Graduierung zwischen Innen und Außen, zwischen Privat und Öffentlich, zwischen Bewegung und Ruhe, zwischen Morgen und Abend, zwischen Bekanntem und Unbekanntem. Das neue Ensemble an der Würzburger Straße soll als Möglichkeitsraum begriffen werden. Eine Wohnlandschaft aus verschiedenen modularen Einheiten, die miteinander in Verbindung stehen. Ein ausdifferenziertes Gebilde, welches die Begegnung,  Kommunikation und die sozialen Beziehungen zwischen seinen Bewohnern fördert. Auf der anderen Seite aber auch eine Lebenswelt mit Rückzugsmöglichkeiten und Raum für private Entfaltung. Gleichzeitig soll das System auch flexibel genug sein, um bedarfsorientierte Veränderungen zuzulassen.

Bebauungskonzept
Städtebaulich orientiert sich die neue Anlage an den Vorgaben des Bebauungsplanes. Die Baufelder werden maximal ausgenutzt. Es entstehen zwei 5-geschossige Baukörper mit Laubengangerschließung. Die Dachflächen werden begrünt und den Bewohnern zur Verfügung gestellt. Sie erhalten zusätzliche Aufbauten in Form von transparenten Pflanzhäusern. Das Parken wird im Norden entlang der Straße abgewickelt. Die notwendigen Fahrradstellplätze befinden sich erdgeschossig in der Nähe der Eingangsbereiche.

Nutzungskonzept
Das Raumprogramm sieht einen Mix aus 2-, 3- und 4-Zimmer-Wohnungen, zwei betreute Wohngruppen für insgesamt 20 Jugendliche und eine integrierte Kindertagesstätte vor. Diese Funktionen werden im Entwurfskonzept horizontal und vertikal durchmischt. Die Sondernutzungen sind jeweils in den Erdgeschossen mit direktem Bezug zu den Freiflächen angeordnet. Durch den vielfältigen und gleichzeitig fein differenzierten Nutzungsmix wird die Umgebung optimal belebt und bereichert.

Kindertagesstätte
Im westlichen Baukörper befindet sich die Kindertagesstätte auf zwei Ebenen. Im Erdgeschoss sind die beiden Gruppenräume der Kinderkrippe angeordnet, im Obergeschoss der Mehrzweckraum und die Kindergartengruppe. Der Hauptzugang erfolgt von der Westseite her, das Holen und Bringen beeinträchtigt dadurch nicht die Wohnatmosphäre der benachbarten Apartments. Spielflure erweitern den Aufenthaltsbereich der Kinder im Inneren. Großzügige vorgelagerte Spielterrassen mit Zugang zum Garten sind den Gruppenräumen in beiden Geschossen vorgelagert.

Wohngruppen für Jugendliche
Die Wohngruppen für Jugendliche sind im Erdgeschoss des östlichen Baukörpers situiert. Die beiden Gruppen erhalten separate Eingänge, getrennt von der Erschließung der Apartments im Obergeschoss. An der Schnittstelle der beiden Jugendwohngruppen werden die Aufenthaltsräume gebündelt und können sogar miteinander gekoppelt werden. Die Schlafzimmer der Jugendlichen befinden sich in ruhigeren Gebäudeteilen an den Stirnseiten. Der Büroraum der Aufsicht liegt am strategisch günstigsten Punkt zwischen dem Aufenthalt und dem Schlaftrakt mit direkter Einsicht in diese Bereiche. Aus den Aufenthaltsbereichen gibt es direkte Zugänge zu den vorgelagerten Freiräumen und Spielflächen.

 2-, 3- und 4 Zimmer-Wohnungen
Insgesamt werden 40 Wohneinheiten in den Obergeschossen des östlichen und 12 Wohneinheiten in den Obergeschossen des westlichen Baukörpers nachgewiesen. Zentrale Aufzüge ermöglichen eine durchgehende barrierefreie Erschließung aller Wohneinheiten. Eine differenzierte Gebäudeausbildung fördert die Begegnung und Kommunikation zwischen den Bewohnern, bietet auf der anderen Seite aber auch eine Lebenswelt mit Rückzugsmöglichkeiten und angenehm entspannter Atmosphäre. Integration, Gemeinschaft und individuelle Lebensgestaltung müssen sich gegenseitig nicht ausschließen. Die Wohneinheiten sind über die Geschosse hinweg modular angeordnet und sorgen durch das tragende Schottensystem für eine wirtschaftliche Umsetzung. Die Wohnbereiche sind durchgesteckt. Schutzbedürftige Räume liegen ausschließlich im Lärmpegelbereich 2. Der Lärmschutz ist daher ohne technische Maßnahmen gewährleistet. Jede Wohnung besitzt einen großzügigen Balkon oder eine Terrasse. Auch der Laubengang wird zum erweiterten Wohnraum im Freien. Die Grundrisse sind flexibel nutzbar. Die Erschließungswege ermöglichen fließende Übergänge als auch die Wechselbeziehung zwischen den unterschiedlichen Lebensumfeldern. Das Erreichen der Wohnung erhält eine soziale Qualität, der Laubengang wird zum zwischenmenschlichen Erlebnisraum.

Modellvorhaben “effizient bauen, leistbar wohnen”
Das angedachte Konzept soll einen innovativen Beitrag zu unterschiedlichen Aspekten des Programms “effizient bauen, leistbar wohnen” bieten. Die Wohnungsgrundrisse sind flächeneffizient organisiert. Durch die modulare Anordnung der Einzelzimmer und Einzelwohnungen lassen sich die Wohneinheiten effizient in Modulbauweise errichten. Die identischen Sanitärräume können als komplett vorgefertigte Boxen in den Neubau eingebracht werden. Trotz der modularen Anordnung der Wohneinheiten erhält das Gebäude durch einzelne bauliche Details und die Materialität der Fassade die gewünschten identitätsstiftenden Qualitäten für die Bewohner. Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte hat das Wohnbauprojekt das Potenzial zu einem lebendigen Ort für Wohnen und gemeinschaftliche Aktivitäten zu werden, der neue Formen des Zusammenlebens ermöglicht. Es soll nach den Grundsätzen der gesellschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit entwickelt und umgesetzt werden.

Material, Energie und Statik
Das Erscheinungsbild der Baukörper ist geprägt durch eine schlichte und klare Formensprache. Die Gebäude sind in Massivholzbauweise (Brettsperrholzbauweise) mit einem tragenden Schottensystem konzipiert. Durch wirtschaftliche Spannweiten der Massivholzdecken werden die Baukosten optimiert. Eine Aufbetonschicht sorgt für den notwendigen Brandschutz der Decken. Die nichttragenden Innenwände werden in Leichtbauweise bzw. vorgefertigter Holzleichtbauweise ausgeführt. Serielle Ausbauelemente sorgen für eine ökonomische Umsetzung. Ein niedriger Energiebedarf des Gebäudes ist Ziel der Planung. Die Außenhülle wird thermisch optimiert bzw. hochwärmegedämmt. Der Einfachheit und Klarheit folgt auch die Wahl der Materialien. Das Gebäude wird mit farbig lasierten Seekieferplatten bekleidet. Sie verleihen der Fassade Plastizität und nehmen Bezug zum umliegenden Naturraum. Die Geländerbrüstungen werden als gestaltprägendes Element um den gesamten Baukörper geführt. Außenliegende bewegliche Textilscreens schützen vor zu großer Sonneneinstrahlung und sorgen bei Bedarf für die notwendige Privatsphäre. Der warme Werkstoff Holz wird auch zum Wegbegleiter im Inneren. Eingangsbereiche und Verkehrsflächen erhalten Natursteinbeläge. Die Flachdächer werden begrünt und gärtnerisch genutzt. Das Dachwasser kann in Zisternen gesammelt und dem Brauchwasser zugeführt werden. Teile des Dachwassers werden verzögert abgegeben und dadurch in den Freiflächen erlebbar.

Freiraum
Der neue Wohnkomplex lebt von Freiräumen mit unterschiedlicher Öffentlichkeit und Privatsphäre. Aus diesem Grund sind die Außenräume als multifunktionale Begegnungs-, Erholungs- und Rückzugsorte mit privatem, halböffentlichem oder öffentlichem Charakter so gestaltet, dass sie die Begegnung zwischen den Bewohnerinnen fördern und gleichzeitig Rückzugsräume für Einzelaktivitäten entstehen. Die Zone südlich der Bebauung wird mit den Spiel- und Sportbereichen für die Kindertagesstätte, die Wohngruppe für 24 Jugendliche und die Einzelwohnungen bespielt und mit einer temporären Schallschutzwand zur Würzburger Straße hin abgeschirmt. Die Dachterrasse wird als gemeinschaftliche Fläche aktiviert und erhält Kommunikationsbereiche, Ruhezonen und Flächen zur gärtnerischen Nutzung mit Hochbeeten. Auf der Erschließungsseite im Norden sind PKW- und Fahrradstellplätze sowie Nebengebäude für den Müll in einer straßenbegleitenden Stange angeordnet. Vor den Individualräumen in Gebäude 1 bieten fensterbretthohe Pflanzungen entlang der Fassade Privatheit. Auf der Südseite, wo auf knappem, bandartigem Raum für Kinder aller Altersgruppen und Hintergründe Spiel- und Aufenthaltsmöglichkeiten geschaffen werden sollen, sind die Formen organisch. In mäandrierender Linienführung werden die Terrassenbereiche von grünen Rasenformen überlagert. Dadurch entstehen Buchten unterschiedlicher Ausprägung. Die Buchten beherbergen verschiedene Spiel- und Aufenthaltsgelegenheiten. In der größten, vor Gebäude Ost befindet sich ein kreisrunder Basketball Court, vor Gebäude West der Sand-Matsch-Bereich des Kindergartens. Die leichte Modellierung entlang der südlichen Grundstücksgrenze schafft einen zwanglosen Abschluss zu den angrenzenden Freianlagen.