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Sonic Sofa

Beschreibung:
Offener Kunstwettbewerb 2011 - ein 1. Preis, Interaktive mobile Architektur und Lärmtransformer, zusammen mit Jürgen Lehmeier und Carsten Stabenow
Bauherr:
Kulturreferat der Stadt Nürnberg
Standort:
Nürnberg, Muggenhof
Zeitraum:
2011-2013
Fachplaner:
konzeptionelle Beratung Sam Auinger

Lärm ist in der Stadt von heute immernoch sozial ungleich verteilt, wer arm ist, lebt im Lärm, wer es sich leisten kann, zieht in ruhigere Stadtteile um. (Hören und Wohlstand)

Städtebauliche und räumliche Herangehensweise
Das Sonic Sofa wurde als Teil des interdisziplinären Projektes “Sounds of Muggenhof” konzipiert. Ziel des Projektes war es, den Nürnberger Stadtteil Muggenhof auf seine (klang)räumlichen Defizite und Potentiale hin zu untersuchen. Muggenhof ist gekennzeichnet durch die großen Brachen der ehemaligen Hauptarbeitgeber AEG und Quelle. Einzelne Streusiedlungen und Arbeiterquartiere ergänzen die Bebauung in den Zwischenzonen. Zerschnitten wird der Stadtteil von zahlreichen lärmbelasteten Verkehrsadern. Das Quartier ist Bindeglied zwischen den Städten Nürnberg und Fürth, zugleich aber auch Randgebiet und Transitzone. Workshops und künstlerische Arbeiten im öffentlichen Raum sollten dabei helfen, die Situation vor Ort zu analysieren und Zusammenhänge zu verstehen. Ziel war es, bzgl. der vorgefundenen Probleme Ansätze zu finden, die einen Beitrag zur Umfeldverbesserung leisten können. Dabei wurde das Thema Stadtklang und Stadtakustik in den Vordergrund gestellt. Mit dem Hörsinn ist ein großer Teil des Raumsinns verknüpft, deshalb ist die auditive Qualität eines urbanen Raumes immer auch ein Indikator für die Qualität der vorhandenen Situation, der Architektur und der Stadtplanung.

Soziokultureller und Gesellschaftlicher Kontext
Nicht nur Grünraume, Parkanlagen und Spielplätze machen die Qualität eines Stadtteils aus, sondern auch die vorhandene akustische bzw. klangliche Atmosphäre im Quartier. Stadt ist laut und war auch immer laut. Das gegenwärtige städtische Problem ist nicht die Lautstärke, sondern vielmehr das Verschwinden von lärmfreien Ruhezonen. Lärmbelastete öffentliche Räume bieten keine Aufenthaltsqualitäten zum Verweilen, Bänke und andere Sitzmöbel bleiben ungenutzt, da zur Kommunikation und zum Entspannen das notwendige akustische Ambiente fehlt. Die Lärmflut hat uns mit unsichtbarer Gewalt aus unseren öffentlichen Räumen verdrängt. Unser Hören ist sehr grob geworden und damit auch unsere gegenseitige Wahrnehmung. Menschen verlernen auf Dauer das Zuhören, unterbewusst blenden sie die lästigen Nebengeräusche aus, blockieren dadurch einen ihrer wichtigsten Sinne. Für die Psyche bedeutet das natürlich unterbewussten Stress. Lärm kann auf Dauer sogar krank machen. Dauerlärm ist Teil unseres Raumgefühls geworden. Aus der Stadt des Weghörens wieder eine Stadt des bewußten Hinhörens zu machen, kann ein wichtiger Schritt zur Umfeldverbesserung in unseren Quartieren sein. Das kann mit Stadt- und Freiraumplanerischen Mitteln erfolgen, aber auch mit alternativen Konzepten der Lärmtransformation und -überlagerung. Brunnenanlagen und reflektionsarme bzw. schallschluckende Oberflächen sind Beispiele für aktive Lärmbekämpfung. Im Gegensatz dazu versucht das Sonic Sofa aus Lärm harmonischere Klänge zu generieren.

Gestaltungs- und Nutzungskonzept
Das Sonic Sofa ist eine temporäre multifunktionale Architektur. Es ist mobiles Stadtmöbel und Lärmtransformer. Der effektivste Platz für das Sonic Sofa ist in direkter Nähe zu den Lärmquellen, an lauten Straßen und Plätzen des Stadtteils. Es transformiert Lärm und lästige Umgebungsgeräusche in harmonischere Klänge. Das wabenförmige Objekt besteht aus 270 Kunststoffrohren, Entwässerungsrohre aus dem Tiefbau (ca.380 lfm Rohrlänge). Die Rohre haben einen Durchmesser von 10 cm und sind miteinander kalt verklebt. Es gibt 9 verschiedene Rohrlängen. Jedes Rohr wirkt wie ein Filter. Eingehende Geräusche regen das Rohrinnere an. Je länger das Rohr, desto tiefer der Resonanzton. Das gesamte Sofa besteht aus einer Tonleiter von 9 Tönen. weitere Rohre können angedockt werden, um die Tonlagen zu verändern.Im konkaven Hohlraum kann man sitzen, relaxen und dem getunten Straßenlärm lauschen. Mikrophone, Kopfhörer und  ein Mixer ermöglichen es, das Objekt wie ein Instrument zu spielen.

Impulse und Nachnutzung
Die Menschen des Quartiers sollten bei dem Projekt aktiv mit eingebunden werden, die auditive Qualität ihres Stadtraumes zu erforschen. In mehreren Soundwalks wurde mit den Anwohnern das Quartier analysiert und besonders belastete Stellen definiert. Während des Stadtteilfestes im April 2011 wanderte das Sonic Sofa durch den Stadtteil und wurde an diesen Orten aufgestellt. Passanten konnten innehalten, relaxen und in der Klangoase den  transformierten Stadtgeräuschen lauschen. Die Resonanz war groß und viele wünschten sich mehr Objekte dieser Art an solchen Orten. Nach dem Festival sollte das Sonic Sofa an einen Kindergarten im Quartier verschenkt werden, um dort als Spiel- und Klangobjekt zu dienen. Das Kulturbüro verwendete das Objekt jedoch für weitere Tests im öffentlichen Raum sowohl im Stadtteil Muggenhof, als auch im Stadtteil St. Leonhard, einem weiteren sozialen Brennpunkt der Stadt mit ähnlicher Lärmbelastung des öffentlichen Raumes. 2013 wurde das Sonic Sofa dauerhaft dem Stadtteilbüro St. Leonhard geschenkt und ist dort im öffentlichen Raum im Einsatz.

Das Gesamtprojekt „Sounds of Muggenhof“ entstand in Zusammenarbeit mit tunedcity.net.