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Pflegezentrum am Drumlin

Beschreibung:
Realisierungswettbewerb 2019 - Ankauf, zusammen mit raum 3 Architekten, Neubau eines Pflegezentrums im Neubaugebiet „Südlich Härlen“
Bauherr:
Spital- und Spendfonds Überlingen
Standort:
Überlingen
Zeitraum:
Ankauf - 2019
Fachplaner:
studio B Landschaftsarchitektur

Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt
Hinab zum Grund, mit Rasen sanft begleitet,
Vom Weg durchzogen, der hinüber leitet,
Das neue Haus inmitten aufgestellt,
Was ist’s, worin sich hier der Sinn gefällt?
Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!
Und könnt ich Paradiese überschauen,
Ich sehnte mich zurück nach jenen Auen,
Wo Deines Daches Zinne meinem Blick sich stellt,
Denn der allein umgrenzet meine Welt.

(Bettina von Arnim)

 

Gebäude und Städtebauliches Umfeld
Strukturen erweitern und neue Verbindungen schaffen soll. Das Wettbewerbsgrundstück ist Teil dieses neuen Wohnquartiers mit seinen
punktartigen Solitärgebäuden, geschützten Wohnhöfen und offene Übergänge zu den angrenzenden Grünbereichen. Die Maßstäblichkeit des neuen Pflegezentrums und das zurückhaltende Einfügen in das wohnliche Umfeld und zum Landschaftsraum sind deshalb wichtige Gesichtspunkte für den Entwurfsansatz. Die vorhandene Topographie des prägnanten Hügels wird in das bauliche Konzept einbezogen. Am Fuße des Drumlins entsteht eine neue räumliche Ordnung.
Der erste Bauabschnitt des Pflegezentrums besteht aus einem viergeschossigen, winkelförmigen Baukörper, der sich zum Hügel hin öffnet und an der Quartiersstraße einen Platzraum ausbildet. Den Auftakt in das neue Quartier stellt damit dieser Platz dar. Der aus dem Gebäude herausgeschobene Verwaltungsbereich, bildet hier die prägnante Adresse mit Haupteingang und Café. Allgemeinfunktionen, Tagespflege, Demenzgruppe und Servicefunktionen bilden den Sockel des Gebäudewinkels. Dieser fängt die sanfte Hügelstruktur des Drumlins auf und formt somit einen geschützten Gartenhof zum glazialen Höhenrücken. Die Pflegegruppen befinden sich, jeweils paarweise gekoppelt, in den drei Obergeschossen. Hier ist auch die Junge Pflege angeordnet.
Die Ver- und Entsorgung erfolgt entkoppelt über die neue Quartiersstraße und stört dadurch die übrigen Abläufe und Aufenthaltsqualitäten nicht. Ein Parkdeck entlang der Straße gewährleistet das Parken für Personal und Besucher. Ergänzend werden Stellplätze für Rollstuhlfahrer, Arzt etc. in Eingangsnähe angeboten. Der BA II mit zwei zusätzlichen Pflegegruppen wird baugleich auf einer Ebene als Winkel auf den Garagen- und Küchensockel des ersten Bauabeschnittes aufgesetzt. Er kann an den bestehenden Winkel des BA I im Obergeschoss mit einem gläsernen Verbindungsgang angeschlossen werden.
Die Gemeinschaftsfunktionen im Bauabschnitt I können damit mitgenutzt werden. Das Hospiz (BA III) wird direkt an den Bauabschnitt II angebaut. Die drei Abschnitte ergeben zusammen eine schlüssige Gesamtfigur und sind in ihrer baulichen Reihenfolge jeweils als vollwertiges Gebäude wahrnehmbar.
Der sanfte Umgang mit der Drumlin-Landschaft als Hauptgedanke spiegelt sich vor allem in der Geschossigkeit und dem Vermeiden von echten Kellergeschossen wider.

Freiräume
Innen- und Aussenraum des Pflegeheims durchdringen sich. Sie ergänzen einander zu einem vielschichtigen Gefüge und eröffnen den Bewohnern
abwechslungsreiche Bewegungsmöglichkeiten. Intensive Erlebnismöglichkeiten werden um das Gebäude herum inszeniert. Dabei wird auf die
unterschiedlichen Pflegestadien der Senioren eingegangen. Im geschützten Therapiegarten erinnert ein breites Angebot unterschiedlicher
Naturerfahrungen die Bewohner mit Blüten, Duft, Wassergeräuschen usw. an Erlebnisse aus ihrem Leben. Verschiedene Pflanzbeete schaffen
sinnliche Reize auf Greif- oder Augenhöhe. Hier können die Senioren auch selbst Hand anlegen und einen kleinen Kräutergarten kultivieren. Für
demente Bewohner wird ein abwechslungsreicher Rundlauf vorgesehen. Ein Serpentinenpfad führt rüstigere Senioren zu dem Aussichtsplateau an den alten Säulenpappeln. Der Aufstieg zu diesem Panoramablick hält den Körper in Schwung und führt zu einem Ort der Kontemplation und Ruhe.
Im Übergang von den Gartenräumen des Pflegeheimes zur Drumlinkuppe wird eine lockere Streuobstwiese angelegt. Dabei sind die Bäume so angeordnet, dass sie immer wieder den Durchblick zur Kuppe und in die Weite der Landschaft erlauben. Die Bewohner können hier Kirschen und Marillen naschen und daraus Marmelade kochen, oder sich einfach nur an der Apfelblüte erfreuen. Östlich dem Gebäude vorgelagert entsteht ein einladender Vorplatz. Mit Bäumen, Sitzgelegenheiten und einem langgestreckten Wassertisch ausgestattet, bietet er sowohl den Café-Besuchern als auch den Bewohnern einen qualitätvollen Freiraum mit Blick auf den Naturraum des neu angelegten Bachlaufs im östlich benachbarten Quartier. Eine Pflanzfläche mit Stauden und Blütengehölzen schließt den Platz im Süden ab und schafft einen grünen Filter vor der Anlieferungszone der Küche.

Konstruktion und Energie
Der Neubau ist als Schottensystem in Massivholzbauweise konzipiert. Die Sockel- und Garagenzone des Erdgeschosses wird in Stahlbeton bzw.
Mauerwerk erstellt. Die Aussteifung des Gebäudes erfolgt über die als Scheibe ausgebildeten Deckenelemente in Verbindung mit den Massivholzwänden. Wärmebrücken werden minimiert. Die Holzkonstruktion des Gebäudes mit einem maximierten Vorfertigungsgrad
bietet eine nachhaltige sowie robuste Bauweise bei minimierter Bauzeit. Durch jeden verbauten Kubikmeter Holz werden ca. 1t CO2 gebunden.
Bei einem Rückbau ist Holz rückstandsfrei recycelbar. Daneben besticht ein Holzbau durch seinen sehr niedrigen Primärenergieeinsatz. Auch die
Umsetzung des zweiten und dritten Bauabschnittes wird durch die industrielle Vorfertigung vereinfacht. Die Außenwände erhalten eine Holzfaserdämmung mit einer hinterlüfteten Boden-Deckel-Schalung aus Weißtanne. Die Lamellen der Deckschalung werden dabei variiert. Sie verleihen der Fassade Plastizität, strukturieren sie auf subtile Art und Weise und erzeugen interessante Licht- und Schattenspiele.
Die horizontalen Deckenplatten werden in der Fassade betont. Der warme Werkstoff Holz wird auch zum Wegbegleiter im Inneren. Die Böden
erhalten einen pflegeleichten Linoleumbelag. Farblich aufeinander abgestimmte Oberflächen dienen der Orientierung der Bewohner sowie dem
atmosphärischen Übergang hindurchfließender Außenräume. Auch im restlichen Ausbau werden weitestgehend natürliche Baustoffe eingesetzt.
Außenliegende Raffstoreelemente gewährleisten den sommerlichen Wärmeschutz.

Das Energiekonzept setzt zuallererst auf eine Minimierung des Energiebedarfs und im zweiten Schritt auf eine nachhaltige und effektive Deckung des verbleibenden Verbrauchs. Eine nahezu wärmebrückenfreie Konstruktion, mit Dämmpaketen für Wände, Bodenplatte und Dach stellen einen geringen Energieverlust sicher. Die Dachflächen werden begrünt und dienen als Retentionsvolumen. Teile des Dachwassers werden verzögert abgegeben und dadurch im Therapiegarten erlebbar gemacht. Es entstehen Erfahrungsmöglichkeiten mit Spielwert. Ökologie wird anschaulich gemacht und als Gestaltungselement genutzt.

Pflegealltag und Hausgemeinschaften
Das bauliche Konzept ist durch die differenzierten Übergänge von Privatheit und gemeinschaftlicher Aktion, von Raumkonzentration und größtmöglichem Freiraumbezug, sowie dem uneingeschränkten Erlebnis des Tageslichtes geprägt. Die Erdgeschosszone und der Eingangsplatz verknüpfen das Pflegezentrum
mit dem bestehenden Quartier. Alltägliche Bewegungen von Anwohnern und Heimbewohnern kreuzen sich. Die Bewohner des Heimes verbleiben im sozialen Gefüge des Stadtteils. Das Café ist mit seiner Terrasse zum Platz hin orientiert und kann durch mobile Trennwände flexibel als Veranstaltungsraum genutzt werden. Die Verwaltung ist direkt vom Eingangsbereich aus erreichbar. Die Tagespflege und die Demenzgruppe erstrecken sich um den geschützten Hofgarten, der zum Drumlin ausgerichtet ist. Servicebereiche arrondieren das Erdgeschoss in funktional günstiger Lage ohne den Alltag der Bewohner zu stören. Drei verschiedene Treppenhäuser und Aufzüge erschließen die Nutzungen in den Obergeschossen, das zentrale Treppenhaus ist vorrangig für die Besucher bestimmt, die äußeren dienen vielmehr den hausinternen Verknüpfungen. Auch die brandschutztechnischen Anforderungen werden durch die Lage der Treppenhäuser erfüllt.
Die 90 Wohnplätze gliedern sich in 6 Gruppen mit jeweils 15 Bewohnern auf. Zusätzlich wird jeweils ein Zimmer für Kurzzeitpflege integriert. Zwei Gruppen bilden somit eine Geschossgemeinschaft mit zentralen Ess- und Wohnbereichen in unmittelbarer Nähe des Pflegestützpunktes. Große
Bedeutung wurde dem Angebot und der räumlichen Ausprägung dieser Gemeinschaftsbereiche zugemessen. An den zentralen Treffpunkten erlebt der Bewohner eine familiäre Atmosphäre, wird in seinen Eigenheiten respektiert und als derjenige versorgt, der er „hier und jetzt“ sein kann.
Diese gemeinschaftlichen Erlebnisräume sind Orientierungsinseln und zugleich Orte größtmöglicher Übersicht. Kleinere dezentrale Aktionsfelder,
Kommunikationszonen und Aufenthaltsflächen befinden sich in den erweiterten Flurbereichen. Großzügige Sonnenterrassen und Loggien, mit Blick auf den Drumlin mit seiner Pappelgruppe, auf die Innenstadt von Überlingen, auf den Bodensee und den umliegenden Landschaftsraum sind den jeweiligen Gemeinschaftsbereichen vorgelagert. Hochbeete auf den Terrassen werden mit Küchenkräutern und Blumen bepflanzt. Die Privatbereiche der Bewohner bilden Einzelzimmer mit eigenem Sanitärbereich. Die Ausstattung der Zimmer darf/sollte wahlweise auch mit
persönlichen Möbeln und Gegenständen der Bewohner erfolgen, um ein Stück gewohntes Lebensumfeld in das neue Zuhause zu integrieren.
Wohnnischen vor den privaten Räumen mit Sitzbänken dienen der Individualisierung und der subtilen Aneignung des gemeinschaftlichen
Handelns. Zentral angeordnete, verglaste Lufträume und Galerien bringen Tages- und Sonnenlicht in die Kernbereiche der dreibündig angeordneten Grundrisse. Sie ermöglichen außerdem eine gruppenübergreifende vertikale Kontaktaufnahme. Dienende Räume sind in der zentralen Kernzone des Dreibunds angeordnet. Durch die winkelförmige Gebäudeform und der zentralen vertikalen Erschließung sind kurze Wege für Bewohner und Personal garantiert. Die beiden Pflegebäder befinden sich im Erdgeschoss und sind von allen Bewohnerbereichen, der Tagespflege und den folgenden Bauabschnitten erreichbar bzw. nutzbar. Die Gruppe für die Junge Pflege ist im 1.Obergeschoss an die Pflegegruppen angeschlossen. Über das nordwestliche Treppenhaus mit Aufzug erhält diese auch einen separaten Zugang von außen.