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Ohrenstrandmobil

Beschreibung:
Offener Realisierungswettbewerb 2008 - 1. Preis, Temporäre Architektur für Musik und Musikvermittlung, zusammen mit Jürgen Lehmeier
Bauherr:
Zeitgenössische Oper Berlin
Standort:
Berlin
Zeitraum:
1. Preis - 2008
Realisierung:
2008-2013

Musik ist nichts formloses, sie ist klanglich gestaltete Zeit und klingender Ort zugleich. 

Herangehensweise
2008 lobte die Zeitgenössische Oper Berlin einen Wettbewerb für eine temporäre Architektur aus, das ´Ohrenstrandmobil´. Unsere Ton-Raum-Architektur aus Akustikmodulen konnte die Jury überzeugen. Bei unserem Entwurfsansatz ging es um das akustische, zeitliche und emotionale Zusammenspiel von architektonischer Konstruktion, auditivem Raum und musikalischen Klängen. Dabei gingen wir von einem kleinsten modularen Konstruktionsbaustein aus und nannten es “Akustik-Modul“. Mit dem modularen System können verschiedenste temporäre Raumzustände (Klangräume) und Raumbegrenzungen (Klangkörper) konstruiert werden. Dabei herrscht ein Höchstmaß an Flexibilität, was die Größe, Geometrie und Höhe des zu definierenden Raumes angeht. Das Ohrenstrandmobil kann als Klangraum in großen Veranstaltungshallen genauso wie auf der Schultoilette stattfinden. Durch die anpassungsfähige modulare Struktur (Implantat) kann nahezu jeder Ort neben klassischen Hörereignissen auch komplex polymorphe Klanginstallationen und Tonfelder aufnehmen. Es besteht also immer die Möglichkeit des differenzierten Eingehens auf die räumlichen Bedingungen des Aufführungsortes.

Gestaltungsansatz und Nutzungskonzept
Das Akustik-Modul besteht aus einem  Würfel mit drei verschiedenen akustisch aktiven Oberflächen. Eine glatte Seite für Reflexion, verschiedene Vertiefungen für Diffusion, eine perforierte Seite für Absorption. Die Module können zu größeren Einheiten zusammengefügt werden. Vorhandene Räume können akustisch optimiert werden. Ohrenstrandmobil ist wie eine zweite Haut, mit der die Hörsamkeit vorhandener Räume manipuliert werden kann. Das System ist für klassische Theatersituationen, aber auch für experimentelle Stücke geeignet. Es kann als Tribüne, Podium oder Sitzmöbel dienen. Ohrenstrandmobil ist also keine starre Beziehung von Raum und Musik es ist permanentes Wechselverhältnis zwischen Klang, Klangkörper und Klangort (Raumsondierung). Durch die willkürliche Zusammenstellung der dreifarbigen Module entstehen bei jedem Aufbau neue Muster. Das spiegelt die experimentelle Haltung der Veranstaltung wider und sorgt für ein immer neues Erscheinungsbild (Improvisation in Musik und Architektur). Der optische Gesamteindruck der Installation ist dabei bewusst im dunkleren Tonbereich gehalten (dunkelgrau) und wird lediglich von einzelnen orangefarbenen Akzenten erfrischt. Beim Eintreten von einem helleren in einen dunkleren Bereich wird auch die akustische Sensibilität der Rezipienten gesteigert.

Soziokultureller Kontext
Die Zeitgenössische Oper will mit der mobilen Architektur Menschen an den unterschiedlichsten Orten und in unterschiedlichsten Situationen erreichen. Ungewöhnliche und oft auch brachliegende Orte können mit dem System optimal bespielt werden (mit Konzerten, Vorträgen, Theaterstücken, Tanz usw.). Aufgegebene (Stadt)Räume und Gebäude werden wieder aktiviert, neue Nutzungsszenarien können sich mit existierenden Nutzungen mischen, eine Lagerhalle wird kurzzeitig zum Konzertsaal, ein Straßenbahndepot zum Theater. Ein erster Feldversuch fand in der Mosaikhalle in Berlin statt. Ein akustischer Experimentalraum wurde geformt, kombiniert mit einer bühnenartigen Situation und Sitzreihen. Ganz anders der Aufbau im Berliner Hauptbahnhof. Klangkünstler interagieren hier mit der Geräuschkulisse hereinfahrender Züge und vorbeiziehender Menschentrauben. Reflektorwände, generiert aus den Akustikmodulen, bündeln Klangereignisse, werfen sie zurück und mischen sie mit der Soundlandschaft des Bahnhofes.

Impulse und Nachnutzung
Die temporäre Architektur sollte nach einer 2-jährigen Nutzungsdauer versteigert und als akustisch aktives Sitzmöbel oder Regalsystem in einem Café oder einem Club weitergenutzt werden. Die Ton-Raum-Architektur ist inzwischen aber zum Corporate Design der Zeitgenössischen Oper geworden und wird bis zum heutigen Tage für Veranstaltungen genutzt. Das Festival im Berliner Hauptbahnhof konnte sich als regelmäßig stattfindende, jährliche Veranstaltung etablieren. Das Ohrenstrandmobil darf dabei natürlich nicht fehlen. Für die Musik- und Kulturvermittlung der Zeitgenössischen Oper ist das Ohrenstrandmobil zum unentbehrlichen Tool geworden.

http://www.ohrenstrand.de