Laguz – Guerilla Food
- Beschreibung:
- Laguz - Guerilla Food - Imbissbude - Umbau einer ehemaligen öffentlichen Bedürfnisanstalt
- Bauherr:
- Guerilla Food, Sven Krollikowsky
- Standort:
- Nürnberg, Veit-Stoß-Platz
- Zeitraum:
- 2011-2015
- Fertigstellung:
- 2015
Das stille Örtchen am Veit-Stoß-Platz
„Plätze, wo den unästhetischen Bedürfnissen des Menschen Rechnung getragen werden kann, sind in jeder größeren Stadt Bedürfnis und auch Nürnberg hat seit längerer Zeit für solche Haltstellen gesorgt”, schrieb der „Nürnberger Anzeiger” 1872. Vermutlich als Reaktion auf die Cholera-Epidemie von 1854 hatte der Magistrat ab etwa 1860 damit begonnen, öffentliche Abtritte und Pissoirs zu errichten. Sie entstanden zuerst in der Altstadt und an den Stadttoren, später in öffentlichen Parkanlagen und an den Endstationen der Straßenbahn. 1877 wies ein Lageplan bereits dreißig Pissoirs und sechs Aborte auf. Vierzehn weitere Anlagen waren geplant, alle ausschließlich für Männer. Für Frauen gab es zunächst noch keine Entsprechung zu den reichverzierten, gußeisernen Latrinen, die überall errichtet wurden.
Am 28. November 1898 beschloß der Magistrat, zusätzlich zu den Pissoirs an den Übergängen der Ludwigsbahn, eine Bedürfnisanstalt an der Südseite der Fürther Straße zu bauen. Sie sollte Männern und Frauen offenstehen und von einer Wärterin beaufsichtigt werden. Man erwog zunächst einen Standort direkt neben dem Schulgebäude östlich der Müllnerstraße, gab aber dann der Grünanlage des Veit-Stoß-Platzes den Vorzug, denn hier schien ein besonderes, lokales Interesse an der Errichtung einer Bedürfnisanstalt zu bestehen. „Die Zustände dortselbst, hervorgerufen durch Verunreinigung, sind manchmal geradezu grauenhaft”. schrieben empörte Anwohner in der „Fränkischen Tagespost” und forderten den Magistrat im Juli 1900 auf, das kleine Häuschen nach bereits siebenmonatiger Bauzeit nun endlich fertigstellen zu lassen.
Kurz darauf wurde das ansehnliche, mit fränkischem Fachwerk und einem doppelten Ziegeldach versehene Gebäude eröffnet. Das Toilettenhäuschen war mit modernen sanitären Anlagen, unter anderem mit Wasserklosetts und Becken „neuesten amerikanischen Modells”, ausgestattet. Die Baukosten beliefen sich auf 10300 Mark. Als erste Abortwärterin wurde eine Witwe, die Mutter zweier Kinder, eingestellt. Nach einer 1894 erlassenen Dienstordnung sollte sie höflich, artig und bescheiden auftreten. Sie übte das Hausrecht aus und mußte im Sommer täglich von sechs Uhr früh bis zehn Uhr abends und im Winter von sieben bis neun auf ihrem Posten bleiben. Im Krankheitsfall hatte sie für eine Vertretung selbst zu sorgen. Zu den Pflichten der Wärterin gehörte es, frische Handtücher bereit zu halten und nach jeder Benutzung das Sitzbrett zu reinigen. In dem kleinen Betriebsraum durfte sich niemand außer ihr aufhalten; mitgebrachte Speisen durften erwärmt, aber nicht gekocht werden. Jeder Benutzer mußte fünf Pfennig Gebühr entrichten. Anhand der verkauften Karten zählte man 1902 am Veit-Stoß-Platz 2264 Benutzer, eine bescheidene Zahl gegenüber den 31550 Personen, die im selben Jahr das Häuschen am Plärrer aufsuchten. Die Wärterin erhielt für ihren bis zu sechzehnstündigen Dienst einen Tageslohn von einer Mark siebzig und für jedes gewaschene Handtuch drei Pfennig. Aufgrund der „besonderen beruflichen Belastung” erkannte der Magistrat 1907 den Wärterinnen der nunmehr neun öffentlichen Bedürfnisanstalten zwei dienstfreie Tage und vier Tage Urlaub im Jahr zu.
Wegen Reparaturen blieb das Häuschen 1924/25 geschlossen. Da die Wasserleitungen oft einfroren, sollte es nur noch im Sommer geöffnet bleiben. Der ganzjährige Betrieb wurde dann doch beibehalten.
Nach Renovierungsarbeiten zu Beginn der fünfziger Jahre sollte das Häuschen zur Parkanlage hin erweitert und mit einem neuen, flacheren Dach versehen werden. Die alte Bausubstanz war jedoch so gut erhalten, daß man von diesen Plänen Abstand nahm. Inzwischen neu verputzt, präsentiert sich der kleine Zweckbau heute noch in der Form, die man ihm zur Jahrhundertwende als „Haltstelle der unästhetischen Bedürfnisse des Menschen” gegeben hatte.
Quelle: “Die Fürther Straße”. Ein Gang durch ihre Geschichte (Aufriss. Schriftenreihe des Centrum Industriekultur, 5)