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Balance Bänke – Sprechende Wände

Beschreibung:
Offener zweistufiger Kunstwettbewerb 2016 - Finalist, zusammen mit Carsten Stabenow
Bauherr:
Stadt Nürnberg
Standort:
Nürnberg, Nelson-Mandela-Platz
Zeitraum:
Finalist - 2016

 

“A good head and good heart are always a formidable combination. But when you add to that a literate tongue or pen, then you have something very special.”  (Nelson Mandela)

Balance Bänke – Sprechende Wände

Öffentlicher Raum erfährt temporär unterschiedliche Nutzungen. Er ist nicht durch Stabilität und Kontinuität gekennzeichnet, sondern er ist prozesshaft und situational. Er ist damit ein Verhandlungsraum, materiell und diskursiv umkämpft. Er wird von heterogenen Gruppen oder Teilöffentlichkeiten hergestellt, benutzt und verhandelt. Das kontinuierliche Aufeinandertreffen und Aushandeln von unterschiedlichen Interessen und Wertvorstellungen ist das, was öffentliche Räume ausmacht. Wahrnehmungskonventionen bestimmen dabei wesentlich, wie wir uns in diesen Räumen verhalten und sie benutzen.

Wir betrachten die Neuordnung des Nelson-Mandela Platzes als Chance für die Stadt Nürnberg eine urbane soziale Plattform zu schaffen. Einen heterotopen Ort, einen Ort der freien Meinungsäußerung, der Verhandlung und des aufeinander Zugehens. Einen Ort wie ihn sich Nelson Mandela vielleicht auch für Städte wie Kapstadt und Johannesburg während der Zeit der Apartheid gewünscht hätte.

Am Nelson Mandela Platz werden die Besucher überrascht, ihre gewohnte Wahrnehmung in Frage gestellt. Sie werden herausgefordert, selbstbewusst und auf spielerische Art und Weise aufeinander zuzugehen und sich miteinander auszutauschen.

Begegnung, Austausch, Inspiration, Balance, Konversation, Miteinander und Verhandlung sind ohne das dualistische Prinzip des ’Gegenüber’ nicht denkbar.

Zwei nebeneinanderliegende Plätze, zwei unterschiedliche Raumsituationen, greifen jeweils auf individuelle Art und Weise die Idee des ’Gegenüber‘ auf.

 

((( Balance Bänke ))) – Bereich ehemaliger Celtisplatz

“Where you stand depends on where you sit.” (Nelson Mandela)

Während der langen Phase der Apartheid war der “öffentliche Raum” in Südafrika nicht wirklich öffentlich und gleichberechtigt nutzbar. Parkbereiche, Spielplätze und Bänke waren streng getrennt nach Hautfarbe zu nutzen, natürlich zum Vorteil der weißen Minderheit. Die sogenannten “non-whites” wurden durch Verbotsschilder und entsprechende Schriftzüge darauf hingewiesen, sich von den Stadtmöbeln und “öffentlich-okkupierten” Bereichen der Weißen fernzuhalten. Dass der Staat Südafrika ohne seine hartarbeitenden “non-whites” gar nicht erst existent gewesen wäre, interessierte natürlich keinen in der elitären weißen Oberschicht.

In Deutschland lässt dies fatal an die Segregationsmaßnahmen der Judendiskriminierung zur Zeit des Dritten Reiches denken.

Unsere Balance Bänke zitieren diese historischen Fakten, transformieren sie aber in ihr Gegenteil.

Aus dem diskriminierenden Schriftzug “whites only”, der zur Zeit der Apartheid auf den meisten Parkbänken in den Metropolen Südafrikas zu finden war, wird ein einladendes “only together”.

“Nur zusammen” kann die Bank benutzt werden, “nur zusammen” kann das Gleichgewicht auf der Bank erzeugt und aufrechterhalten werden. Die Bank soll als Gleichnis für die Fragilität unserer Gesellschaft und für das Zusammenleben als ständigen Akt der Balance stehen. Was im Kleinen erfahrbar ist, kann auch im Großen gesehen werden. Austarieren, verhandeln, sich arrangieren – die Bänke bringen Menschen zusammen, laden zur spielerischen Interaktion und Kommunikation ein, einem performativen Spektakel des Miteinanders.

Die Balance Bänke werden an den Rändern des Platzbereiches um die Brunnen-Fontainen herum installiert. Die innere Fläche des Celtisplatzes bleibt dabei nutzungsoffen. Durch ihre einfache Installation an einem Gelenkpunkt können die Bänke bei größeren Veranstaltungen auch demontiert und kurzzeitig im Abstellraum des Cafés gelagert werden. Die Bänke wippen in einem Toleranzbereich von max. 10° auf und ab, sodass eine sichere Benutzung gewährleistet ist bzw. ein Einklemmen verhindert wird.

 

((( Sprechende Wände ))) – Bereich Rasenparterre

“Live life as though nobody is watching, and express yourself as though everyone is listening.” (Nelson Mandela)

Auf der Grünfläche im Osten des Nelson-Mandela Platzes spannt sich zwischen zwei Betonschalen eine gedachte elliptischen Grundfigur auf. Die offenen segelartigen Segmente ergänzen und spiegeln sich, scheinen miteinander zu kommunizieren und im Rhythmus der Stadt zu tanzen.

Entlang der Innenseiten falten sich die Wände zu Sitzbänken auf. Sie laden ein zum Innehalten und Entspannen.

Zwischen den beiden Ellipsensegmenten wird man Zeuge eines ganz besonderen Phänomens. Hier wird der Schall gebündelt und gemäß dem Prinzip der “Flüsterspiegel” oder “Flüstergallerie” in den Brennpunkt der jeweils anderen Betonschale übertragen.

Schon zu Albrecht Dürers Zeiten kannte man elliptische Flüstergewölbe. In Ratssälen wurden sie dazu genutzt, um geheime Absprachen der Ratsmitglieder zu verhindern, aber auch, um Sprache natürlich zu verstärken und über größere Strecken hinweg zu übertragen. Während des 2. Weltkrieges wurden Betonschalenkonstruktionen als akustische Frühwarnsysteme – einer Vorform des Radars – zur Überwachung des Luftraumes verwendet.

Die beiden Ellipsenwände am Nelson-Mandela Platz sind über 40m voneinander entfernt. Befindet man sich im Bereich der Brennpunkte, versteht man jedes Wort, was auf der anderen Seite gesprochen wird. Rede und Antwort, Ruf und Echo, Artikulation und Reflektion – ein Ort unverhoffter akustischer Überraschung und situativer Kommunikation, ein Ort des offenen Gedankenaustausches und der freien Meinungsäußerung.

Um der Kommunikation und der freien Meinungsäußerung auch eine visuelle Plattform zu bieten, darf jeder seine Gedanken über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in dieser Welt auf die Mauern schreiben.

Einmal im Jahr, am Geburtstag Madibas (18. Juli), wird der Zustand der Wände fotografisch dokumentiert.

Die Fotos werden fortlaufend im Rathaus und auf einer Online-Plattform ausgestellt. So entsteht ein Abbild aktueller Vorstellungsorientierungen, ein Dokument der Zeitgeschichte.

Das Rasenparterre an sich bleibt durch die Positionierung der Ellipsensegmente nutzungsneutral, kann wie vorgesehen für Veranstaltungen, Konzerte, zum Fußballspielen oder Picknicken genutzt werden. Bei Musikveranstaltungen können die geschwungenen Wände auch als Konzertmuschel oder Bühnenrückwand mit einbezogen werden.